Von Trondheim nach Bodø

"Wo bist du denn am 17. Mai?", fragt mich die Frau an der Rezeption des Hostels in Trondheim. "Hier in Trondheim gibt es eine große Parade zum Verfassungstag. Es gibt morgens Waffeln hier im Hostel und dann könnt ihr alle zusammen zur Parade gehen." Ich bin gerade dabei, eine weitere Nacht in dem Hostel zu buchen. Es sind noch 2 Tage bis zum 17. Mai. Ich antworte, dass ich das noch nicht genau sagen kann, irgendwo in einem Dorf nördlich von Trondheim wahrscheinlich. Aber die Frage macht mich nachdenklich. Eigentlich ist es hier im Hostel sehr gemütlich. Es gibt kostenlosen Kaffee im Gemeinschaftsraum und die Leute hier sind auch ganz cool. Schließlich beschließe ich, noch zwei Nächte hier zu bleiben und schaue mir die Parade zum großen norwegischen Nationalfeiertag in Trondheim an. Nachdem wir die Waffeln gegessen haben, bekommt jeder eine Fahne und wir marschieren gemeinsam in die Stadt, um uns das Spektakel anzusehen.

Auf nach Bodø

Am nächsten Morgen bereite ich mich auf die Weiterfahrt mit dem Fahrrad vor. Das nächste Ziel ist Bodø. Bis dorthin sind es etwa 850 Kilometer. Dabei muss ich fast 11.000 Höhenmeter überwinden. Das ist die Strecke mit den meisten Höhenmetern pro Kilometer auf meiner ganzen Reise.

Während der Fahrt fällt mir auf, dass es um mich herum immer grüner wird. Langsam ist der Frühling auch bei mir angekommen. In den vergangenen Wochen hatte ich das Gefühl, mir mit dem Frühling ein Wettrennen zu liefern und ihm immer einen kleinen Schritt voraus zu sein. Aber heute sehe ich überall saftiges Grün, auf den Wiesen und in den Bäumen. Allerdings bin ich heute nicht ganz bei der Sache und fühle mich ein bisschen einsam und traurig. Mir fällt alles etwas schwer. Nach ca. 95 km schlage ich mein Zelt auf und bereite mich auf die Nacht vor. Als ich gerade am Kochen bin, sehe ich 2 voll bepackte Fahrräder auf der Straße fahren, neben der ich mein Zelt aufgeschlagen habe. Als sie an mir vorbeifahren, bleiben sie kurz stehen. Laura und Julian aus Hannover sind auf einer ähnlichen Tour wie ich. Den beiden gefällt mein Übernachtungsplatz und sie beschließen, auch hier zu bleiben.

Mein Fahrrad steht am Straßenrand auf einer grünen Wieße. Im Hintergrund ein Bauernhof und Wald. Der Himmel ist bewölkt.
Die Landschaft wird etwas grüner

Gemeinsam gehts weiter

Wir tauschen unsere Pläne aus und wollen am nächsten Tag gemeinsam weiterfahren und die nächste Nacht zusammen in einer offenen Hütte etwas abseits des eigentlichen Weges verbringen. Am nächsten Morgen machen wir zunächst eine kleine Wanderung zu einem nahe gelegenen Aussichtspunkt. Von hier aus haben wir einen tollen Blick über die Fjorde. Danach geht es weiter. Drei Tage lang fahren wir gemeinsam an der norwegischen Küste entlang Richtung Norden. Die Fjorde um uns herum werden immer steiler und wir bewundern die Landschaft. Hinter jeder Biegung verstecken sich Inseln, die immer höher in die Luft ragen. Immer wieder überqueren wir Brücken und setzen mit Fähren über, die die Fjorde, Inseln und Halbinseln miteinander verbinden.

Wetterumschwung

An dem Tag, an dem sich unsere Wege wieder trennen, strahlt die Sonne vom Himmel. Es ist der erste Tag, an dem ich in T-Shirt und kurzer Hose fahren kann. Am frühen Nachmittag gibt es noch ein Eis am Stiel und dann geht die Reise für mich wieder allein weiter. Die Gipfel der Berge um mich herum sind wieder weiß vom Schnee. Einige der Berge, an denen ich in den nächsten Tagen vorbei fahre, sind Gletscher. Sie sind das ganze Jahr über mit Schnee bedeckt. Immer häufiger treffe ich jetzt auf Gleichgesinnte. Man überholt sich immer wieder gegenseitig und es entsteht sofort ein Gemeinschaftsgefühl. Da ist zum Beispiel Willy, der Belgier, der gerade in den Ruhestand gegangen ist und sich auf die große Tour gemacht hat. Auch er will erst zum Nordkap und dann über Finnland wieder Richtung Süden nach Hause. Und Jens, der eine Wette verloren hat und jetzt für den guten Zweck Richtung Nordkap radelt und für jeden Kilometer Spenden sammelt. Auch Laura und Julian treffe ich wieder und wir fahren wieder ein Stück gemeinsam Richtung Bodø. Die Gemeinschaft tut gut. Das Wetter wird richtig mies. Es ist kalt und nass und die Vorhersagen für die nächsten Wochen lassen kein Ende erahnen. Geteiltes Leid ist bekanntlich halbes Leid und zu sehen, dass es andere gibt, die mit den gleichen Problemen kämpfen, gibt einem die Zuversicht, auch diese schwierigen Tage zu überstehen. Trotz aller Widrigkeiten gibt es immer wieder diese Momente, in denen man vergisst, wie nass man gerade vom vielen Regen ist und einfach nur genießt, gerade an den atemberaubendsten Orten zu sein.

Bodø

Meine Regenjacke hält den Regen nicht mehr so gut ab. An einem Tag war meine Daunenjacke, die ich darunter trug, schon ganz nass. Mein Zelt kämpft auch langsam mit der ganzen Nässe hier und ab und zu dringen Tropfen durch das Außenzelt ins Innere. Bei dem Dauerregen ist es auch schwierig, die Sachen, die einmal etwas nass geworden sind, wieder trocken zu bekommen. Deshalb miete ich mir auf einem Campingplatz eine Hütte, in der ich alle meine Sachen zum Trocknen aufhängen kann und beschließe, in Bodø wieder ein paar Tage Pause zu machen und meine Regenkleidung irgendwie wieder wetterfest zu machen. In der Jugendherberge in Bodø treffe ich auch Laura, Julian und Willy wieder.

Morgen geht es dann weiter. Um 15 Uhr nehme ich die Fähre nach Moskenes und bin dann schon auf den Lofoten. Ursprünglich war geplant, dass die Lofoten der nördlichste Punkt meiner Reise sein sollten und ich dann direkt weiter nach Osten in Richtung Finnland fahre. Aber dieser Plan hat sich ein wenig geändert. Ich habe den Tipp bekommen, dass die Inseln nördlich der Lofoten super sein sollen und ich doch bis Alta weiterfahren soll. Von Alta führt dann eine alte Poststraße mit vielen Schotterpassagen nach Süden Richtung Finnland. Das ist momentan mein Plan. Also erst mal noch ein paar Tage weiter Richtung Norden.

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