Gegen halb acht Uhr morgens wache ich in dem vollen 6er-Schlafsaal meines Hostels in Oslo auf. Ich bin wohl der Erste, der aufgewacht ist. Leise schleiche ich mich aus dem Zimmer, um die anderen nicht zu wecken, dusche und setze mich in den Frühstücksraum. Ich sitze nicht lange allein, zwei Zimmergenossen setzen sich zu mir und wir frühstücken gemeinsam. Es ist schön, sich auch mal mit anderen zu unterhalten, im Moment verbringe ich schon viel Zeit mit mir selbst.
Weiter geht's nach Norden
Heute geht es nach zwei Tagen Pause in Oslo weiter Richtung Norden. Durch die Berge soll es gehen. Das nächste Ziel ist Trondheim. Ich habe mich noch nicht entschieden, welche Strecke ich genau fahren möchte. Deshalb schaue ich noch einmal kurz in meinen Laptop, um die Route zu planen und entscheide mich für eine der offiziellen norwegischen Fernradrouten, die National Cycle Route 7: "The pilgrim's route".
Um 11 Uhr morgens habe ich meine Sachen wieder zusammengepackt und kann losfahren. Es geht landeinwärts in Richtung Berge. Ich merke, wie ich aus Oslo herausfahre und die Gegenden immer dünner besiedelt werden. Die Landschaft wird deutlich hügeliger. Am Ende des Tages geht es noch einmal ein ganzes Stück bergauf und auf ca. 300 m Höhe schlage ich mein Zelt für die Nacht auf.
Die nächsten zwei Tage fahre ich entlang des Mjøsa, Norwegens größtem See, Richtung Norden. Die Berge um mich herum werden immer höher und ich sehe immer mehr Schnee. In Lillehammer, wo 1994 die Olympischen Winterspiele stattfanden, trinke ich einen Kaffee und halte zum Mittagessen. Am Abend, bevor es ins Hochland geht, beschließe ich, noch eine Nacht in einem Hotel zu verbringen. Eine warme Dusche und ein richtiges Bett tun mir nach zwei Nächten im Zelt richtig gut und so starte ich am nächsten Morgen voller Energie in den Tag mit den wohl meisten Höhenmetern meiner gesamten Tour.
Steiler Anstieg ins Hochland
Die ersten 35 Kilometer des Tages führen wie an den Vortagen entlang des Flusses durch das Tal. Dann beginnt der erste steile Anstieg des Tages. Serpentinen führen mich über 4,5 Kilometer 400 Höhenmeter hinauf. Im ersten Gang trete ich langsam in die Pedale und spüre das Gewicht meines ganzen Gepäcks wie nie zuvor. Ein paar Mal muss ich eine Pause einlegen, doch dann erreiche ich endlich den höchsten Punkt. Hier ist es schon deutlich kälter und die schneebedeckten Flächen überwiegen bereits. Aber die hart erkämpften Höhenmeter geht es gleich wieder bergab. Ich genieße die grandiose Aussicht bei der Abfahrt und unten angekommen belohne ich mich erst einmal mit einem Eis am Stiel. Denn der große Anstieg kommt erst noch.
Noch einmal 800 Höhenmeter geht es die nächsten 14 Kilometer hinauf ins norwegische Hochland. Ich spüre meine Beine schon deutlich. Beim Treten in die Pedale tropft mir vor Anstrengung der Schweiß vom Gesicht. Je höher ich komme, desto kälter wird es. Irgendwann beschließe ich, das Nachtlager vor Erreichen des höchsten Punktes aufzuschlagen, um nicht komplett im Schnee schlafen zu müssen. Nach kurzer Suche finde ich einen Platz ohne Schnee direkt an einer Nebenstraße. Nicht ganz eben, aber für eine Nacht reicht es.
So habe ich mir noch ca. 250 Höhenmeter für den nächsten Morgen aufgehoben. Das Wetter ist heute bedeckt und ab und zu soll es regnen. Nicht perfekt, aber das kann man sich ja nicht aussuchen. Ausgeschlafen und mit erholten Beinen ist es dann auch nicht mehr so schwer. Relativ schnell habe ich dann auch die letzten Höhenmeter geschafft.
Atemberaubendes Hochland
Die Berge haben mich schon immer fasziniert und auch hier oben enttäuscht der Anblick nicht. Die schneebedeckten Gipfel um mich herum und der hellgraue, wolkenverhangene Himmel schaffen eine einzigartige Stimmung. Es ist fast so, als gäbe es hier oben nur die Farben Schwarz, Weiß und das Grün der Nadelbäume. Beflügelt davon, jetzt hier oben zu sein, fahre ich weiter und finde recht schnell ein kleines Café, in dem ich mich erst einmal aufwärme und den ersten Regenschauer aussitze. Als ich mich zur Weiterfahrt entschließe, nieselt es immer noch leicht. Bei leichtem Nebel und Nieselregen fahre ich durch das verschneite Hochland in der Nähe des Rondane Nationalparks. Aber ich vergesse den Regen bei dem Gedanken, heute hier oben diese einzigartige Stimmung erleben zu dürfen. Irgendwann wird der Regen aber doch stärker und es wird immer schwieriger zu ignorieren, dass ich langsam richtig nass werde. Zum Glück hört es am frühen Nachmittag endlich auf zu regnen und meine Kleidung hat wieder etwas Zeit zu trocknen.
So geht es die nächsten Tage auf und ab durch atemberaubende Berglandschaften in Richtung Trondheim. Immer wieder regnet es ein wenig, aber nie so viel, dass es mich wirklich stört. Als ich der Küste immer näher komme, geht es auch wieder hinunter ins Tal und ich kann die Aussicht wieder ohne Anstrengung genießen und lasse mein Rad einfach nach unten rollen.
Ankunft in Trondheim
Je näher ich Trondheim komme, desto müder werden meine Beine. Am letzten Tag freue ich mich schon auf ein paar Tage Pause, nachdem ich nun 8 Tage ohne Pause durchgeradelt bin. Etwas außerhalb von Trondheim habe ich mir ein Zimmer in einer kleinen Privatpension gemietet und verbringe ein paar entspannte Tage mit viel Sonne und Kaffee in der Stadt.