Fährfahrt des Grauens
3 Stunden dauert die Überfahrt mit der Fähre von Bodø nach Moskenes auf den Lofoten. Die Lofoten sollten ursprünglich der nördlichste Punkt meiner Reise werden. Die Fotos, die ich bei der Reiseplanung im Internet gesehen hatte, hatten mich so beeindruckt, dass ich unbedingt noch dorthin wollte. Um 15 Uhr legt die Fähre ab, um 18 Uhr bin ich dann in Moskenes. Ein paar entspannte Stunden, denke ich mir. Noch ahne ich nicht, dass dies meine bisher schlimmste Fährfahrt werden wird. Kurz nach dem Ablegen spüre ich den starken Seegang und sehe, wie der Horizont erst am unteren Rand des vorderen Fensters verschwindet, um kurze Zeit später wieder aufzutauchen und kurz vor dem oberen Fensterrand zu stoppen, um das gleiche Manöver von vorne zu beginnen. Nach 10 Minuten wird mir leicht übel und ich verschwinde kurz nach draußen in den strömenden Regen, um frische Luft zu schnappen. So verbringe ich die 3 Stunden mit dem Kopf auf dem Tisch vor mir, konzentriere mich darauf mich nicht zu übergeben und gehe alle halbe Stunde raus in den strömenden Regen um frische Luft zu schnappen. Als wir in Moskenes anlegen, bin ich sehr erleichtert. Zur Begrüßung halten die Lofoten einen Schneesturm für mich bereit. Schnell in meine wetterfeste Kleidung gehüllt, finde ich gleich 3 km weiter einen geeigneten Zeltplatz für die Nacht.
Regen, Regen und noch mehr Regen
Der nächste Morgen beginnt etwas regnerisch. Die Strecke ist hier trotz der vielen Berge, zwischen denen sie mich die nächsten Tage führt, relativ flach. Die Aussichten sind wieder einmal atemberaubend schön. Am späten Nachmittag kommt sogar die Sonne heraus und ich kann mein Zelt, das von der letzten Nacht noch nass ist, in der Abendsonne trocknen.
Die nächsten Tage sind geprägt von Regen. Zuerst nur ab und zu, aber es wird immer mehr und irgendwann sind meine Schuhe schon richtig nass. Morgens wieder in die nassen Socken und Schuhe zu schlüpfen ist etwas, auf das ich eigentlich gerne verzichten könnte. Auf der Fähre nach Vesterålen treffe ich Thierry. Er ist schon seit 6 Monaten unterwegs und hat den Winter mit dem Fahrrad in Norwegen verbracht. Er hat auch einen Blog. Wir fahren ein Stück zusammen durch den Regen und treffen uns auch auf der nächsten Insel - Senja - wieder. Hier bewältigen wir gemeinsam eines der unangenehmeren Stücke der Reise. Zuerst geht es über 400 Höhenmeter hinauf. Anfänglich nieselt es nur ein bisschen, aber je höher wir kommen, desto heftiger wird der Regen. Oben angekommen sind wir schon ziemlich nass. Aber die Anstrengung beim Hochfahren hat uns bisher ganz gut warm gehalten. Jetzt geht es aber wieder bergab. Dabei wird mir richtig kalt. Meine Schuhe sind mittlerweile schon so nass, dass es nichts mehr bringt, die Stulpen drüber zu ziehen. Der Regen prasselt mir ins Gesicht und es ist richtig unangenehm. Am liebsten würde ich meine warme Daunenjacke anziehen, aber da meine Regenjacke leider nicht wirklich dicht hält, habe ich Angst, dass die Daunen wieder ganz nass werden. Verzweifelt suchen wir nach einem Unterstand, finden aber nichts. Es ist unglaublich. Überall in Norwegen gibt es Bushäuschen oder kleine Unterstände, in denen die Norweger ihre Briefkästen unterbringen, aber hier finden wir nichts. 15 Kilometer radeln wir so vor uns hin, bis wir ein Schild sehen, das auf einen Supermarkt hinweist. Zum Glück gibt es hier in Norwegen in den Supermärkten oft Tische für die Kunden, so auch in diesem Supermarkt. Hier gibt es sogar kostenlosen Kaffee, einen Wasserkocher und eine Steckdosenleiste für Strom. Es hört einfach nicht auf zu regnen und so sitzen wir hier bis kurz vor Ladenschluss. Eine Mitarbeiterin erzählt uns, dass wir in einem Unterstand in der Nähe schlafen können und am nächsten Morgen um 10 Uhr macht der Laden auf und es gibt wieder Kaffee.
Nach dem Kaffee am nächsten Morgen geht es weiter. Heute will ich es bis Tromsø schaffen, wo ich mir unterwegs noch schnell eine Unterkunft miete. Um meine Kleidung und vor allem meine Schuhe richtig trocken zu bekommen, beschließe ich dort einen Tag Pause zu machen. Trotz der Vorhersage, dass es heute weniger regnen soll, werden wir am Vormittag wieder richtig nass. Gegen Mittag hört es endlich auf zu regnen und der Weg nach Tromsø vergeht gefühlt wie im Flug. Wir kommen an einer Rentierherde vorbei, von denen ich in den nächsten Tagen noch einige sehen werde.
Auf dem Weg nach Alta
Die Pause in Tromsø tut gut. Die Unterkunft ist wirklich schön und ich fühle mich gleich wie zu Hause. Hier kann ich meine Wäsche waschen und trocknen und auch meine Schuhe haben genug Zeit, trocken zu werden. Weiter geht es Richtung Alta. Dies wird tatsächlich der nördlichste Punkt sein, den ich mit dem Fahrrad erreichen werde. Das Wetter wird auch besser und die Temperaturen werden richtig angenehm. Wieder sind einige Höhenmeter zu überwinden, aber die Aussicht von oben entschädigt für die Anstrengung. Teilweise kann ich sogar im T-Shirt fahren und meine beiden Jacken bleiben jetzt meistens in den Taschen verstaut und werden nur für die kühlen Abfahrten herausgeholt. Es tut richtig gut, mal ein paar Tage nicht nass zu werden. Hier oben im Norden ist es sehr einfach, Plätze zum Wildcampen zu finden. Und da es die ganze Nacht nicht dunkel wird, ist auch keine Hektik angesagt. Am letzten Tag, bevor ich Alta erreiche, finde ich einen Zeltplatz direkt an einem kleinen Fluss, wo ich mich noch einmal richtig waschen kann. An dem Tag, an dem ich nach Alta fahre, lacht die Sonne vom Himmel. Beim Mittagessen sehe ich eine Rentierherde und im Wasser sehe ich sogar Delphine. Es ist der beste Tag seit langem. Selbst der Gegenwind kann meiner Stimmung heute wenig anhaben. Endlich bin ich hier. Am nördlichsten Punkt meiner Reise. Jetzt gehts wieder in Richtung warmer Süden.
Um das zu feiern, habe ich ein Hotel gemietet. Jetzt sitze ich hier in meinem Zimmer und schreibe diesen Artikel. Morgen mache ich einen Tagesausflug mit dem Bus zum Nordkap. Von hier sind es nur noch 250 Kilometer, die will ich auf jeden Fall mitnehmen. Übermorgen geht es dann mit dem Fahrrad weiter, und zwar in den Süden! Inspiriert von einem YouTube Video habe ich mir dafür eine Route etwas abseits der befestigten Straßen ausgesucht.